IGOR OSTER (Geb.
Baranov)
1972: in Minsk, Weißrussland geboren.
1992: Fachschuldiplom „Formgestalter“ an der Kunstfachschule „AK Glebow“,
Minsk.
1998: Akademie der Künste Minsk, Weißrußland, Diplom „Graphiker“.
2002: Kunstakademie Münster, Klasse Freie Kunst bei Völker / Scheel.
2006: Akademiebrief
Igor Oster ist mir durch seinen Internetauftritt und die
dort sichtbaren Radierungen und Zeichnungen aufgefallen, und zwar durch die
eher abstrahierenden Bilder.
Ausgangs- oder „Angel“-punkt bei meiner Besichtigungstour auf den Akademie-Webseiten ist aber eines
der 4 Fassaden-Bilder (siehe ...) von Igor Oster gewesen, bei dem ich spontan
dachte „ach, ein Christo Jünger“. Die Assoziation „Verpackung“ stellt sich ein und
die expressive („alarmierende“) Farbgebung fordert Aufmerksamkeit .
Igor verpackt, verfremdet mit verschiedenen Techniken:
Perspektive, Farbe, Verwischungen, Verzerrungen.
Er irritiert mit seinem Blickwinkel und läßt uns(mich)
perspektivisch schwindelig werden und farblich „aufwachen“. Es ist ein
rastloser, ruheloser (suchender) Blick in seiner jüngeren Malerei zu
verzeichnen. Es ist ein Teil seiner Diplomarbeit.
Bei seiner Malerei bleibt er weitgehend realistisch/gegenständlich, während bei den Grafiken
öfter die Abstraktion zum Zuge kommt.
Daneben gibt es noch Mischtechniken (Kratz-, Mal- und
Klebetechnik), die meistens symbolhaft gegenständlich sind und wie
Illustrationen kleiner Geschichten/Märchen daher kommen.
Er hat mir erzählt, dass in seinem 1. Studium in Minsk alle
Techniken Pflicht waren und wie an unseren Akademien die Grafik-Kurse doch eher
wenig Interesse finden. Ich glaube, da vergibt manch ein Künstler eine Chance
(speziell auch bei uns, da ich Grafik sehr mag).
Es ist also breit gefächert, was Igor Oster uns zeigt und
zeugt von der guten Ausbildung und einem kreativen Geist.
Ich schaue ja immer auch ein wenig nach den Wurzeln der
beteiligten Künstler und habe dazu einen interessanten Artikel aus dem Jahr
2002 gefunden, in welchem ein Michael Borasna von der staatl. Akademie der
Künste in Minsk (Weissrussland/Belarus) sagt:
„Wer kennt im Westen schon die junge (moderne) Kunst der
Republik Belarus, sieht man einmal von der recht provokativen Plakatkunst, die
sich schon zur Sowjetzeit ausgebildet hat, ab?
Die belarussische Kunst ist verhalten, wie das Land und die
Menschen. Es gibt nicht die Superkunst, die die Weltöffentlichkeit in Erstaunen
versetzt und versetzen soll. Aus der Isolation (der künstlerischen wie der
Selbstisolation) entwickelt sich Erstaunliches, das es bei uns noch zu
entdecken gibt. ...
Die Gesellschaft
harrt seit langem in Erwartung positiver Veränderungen. Doch in den letzten
Jahren ist eine nationale Selbstisolierung spürbar, die sich auf die
Entwicklung moderner Trends in der Kunstszene auswirkt. Infolge der harten
Kontrolle der Massenmedien und des künstlerischen Bildungssystems ist es für
die moderne Kunst ungeheuerlich schwierig, ein breites Publikum zu
erreichen. ... Auch heute noch
dominieren Werke der sowjetischen Kultur den Alltag ... ironische Metaphern in Form von abbröckelndem Putz der
Sowjetära.
((à Igors
Fassaden-Bilder könnten diese Metapher aufgenommen haben))
Es besteht die Hoffnung, dass Absolventen ausländische
Kunstakademeien – wenn auch nur wenige – zum künstlerischen Praktikum nach
Belarus zurückkehren. Dies wird dem Kunstleben der Republik neue Impulse
verleihen.“
Jetzt wissen wir also, warum Igor Oster den Blick über den
Horizont gewagt hat und vielleicht auch mal Impulse zurück senden sollte .
Es gab übrigens schon mal ein kurzes Zwischenspiel einer
künstlerischen Avantgarde in Belarus, genauer in Witebsk um 1920 als Chagall,
Lissizki und Malewitsch hier agierten (wo Konzepte zur Veränderung der Welt
mittels Kunst entstanden und die ganze Stadt Experimentierraum war).
Igor hat einen Spruch von Charles
Bukowski auf seiner Homepage stehen:
„Es ist humorvoller, verrückter und tragischer als andere
Sachen dieser Art.
Und – zum Teufel damit – aber auch realistischer!“
Bukowski bezieht das auf sein Buch
„Woman“ (1978), in dem er schonungslos
offen die menschliche Psyche am Beispiel der Mann/Frau-Beziehung schildert.
Man mag von Bukowski halten was
man will:
Es gilt auch in der Kunst, ehrlich
zu sein. Von Christoph Amman (einer dieser illustren Kuratoren-Runde, die die
Sendung „Bilderstreit“ abwickeln) habe ich eine Aussage aufgeschnappt, die mir
treffend erscheint: „Es gibt nichts Neues in der Kunst, es gab alles schon
einmal. Alles was zählt ist „Wahrhaftigkeit“, d.h. Authentizität und
Intensität“ (ich würde hinfügen: Intensität bei Idee und Handwerk!). Das finde
ich auch bei Igor Oster .
Was kann uns Igor Oster also
mitteilen:
(es ist zwar ein Querschnitt, den
wir hier zeigen und deswegen nicht zu summieren, aber)
ich sage mal: Igor blickt
einserseits in die Tiefen der Seele mit ihren Licht- und Schattenspielen (in
seinen Grafiken vorwiegend), andereseits zeigt er uns mit seinen jüngere
Fassaden- und Porträtstudien eine flüchtige, rastlose, nach oben gerichtete
Sicht auf die Welt (Halt suchend)!
Ich wünsche Ihnen viel Freude mit
den Werken/der Ausstellung.
Heinz Fischer
Kunstraum44.de
Hannover, den 10.3.2007